Seit ein paar Wochen taucht im Kinderzimmer hin und wieder ein böser Mann auf. Zumindest in der Vorstellung des Kuschelbuben. Meistens ist er da, wenn die Rollläden geschlossen sind. Am häufigsten kommt er am frühen Morgen, doch auch am Nachmittag ist er schon erschienen.
Ganz ehrlich? Als der Kuschelbub das erste Mal von dem bösen Mann erzählt hat, habe ich mir vor Angst fast in die Hose gemacht! Es war früh am Morgen. Draußen war es noch dunkel. Der Papa war schon in der Arbeit und das Frühlingsbaby schlief im Gitterbett im Elternschlafzimmer. Der Kuschelbub war schon wach und ich kuschelte mich zu ihm in sein Bett.
Da meinte er, dass er sich gerne ein Buch anschauen möchte. Ich sagte ihm, er solle einfach schnell eines holen und dann sehen wir es uns gemeinsam an. “Das kann ich nicht.” sagte er. Ich fragte ihn: “Wieso nicht?” Er antwortete mir: “Da ist ein böser Mann.” … Ich war dank Adrenalin blitzschnell hellwach, mein Herz klopfte wie verrückt und ich starrte in die Dunkelheit. “Da ist kein böser Mann!” sagte ich ihm. Doch er blieb bei seiner Aussage. Dort, direkt vor uns, da steht ein böser Mann.
Ich habe bereits gehört, dass so etwas für Kinder in dem Alter normal ist. Viele Kinder haben zum Beispiel auch imaginäre Freunde. Ich selbst hatte als Kind ein imaginäres Eichhörnchen. Darüber wäre ich ja froh! Ein imaginäres Eichhörnchen wäre mir wirklich lieber als ein böser Mann.
Der böse Mann taucht seit diesem ersten Treffen beinahe jeden Tag im Kinderzimmer auf. Auch heute war er wieder da. Ich sprach mit dem Kuschelbuben über den bösen Mann und konnte einiges erfahren. Er hat rot-blau-gelb-blaue Kleidung an. Er ist ein böser Mann, weil er etwas spielt, aber das nicht darf. Außerdem sagt er ihm immer, dass jetzt Schlafenszeit ist.
Lange habe ich überlegt, warum der Kuschelbub plötzlich einen bösen Mann sieht. Ich habe auch eine Antwort, denn ich habe ihm vor ein paar Wochen selbst vom bösen Mann erzählt. Der Kuschelbub ist ja manchmal sehr übermütig und läuft gerne mal von uns davon – sei es beim gemeinsamen Spazierengehen oder im Einkaufszentrum. Er reißt sich los und läuft weg. Läuft man ihm hinterher, wird er umso schneller und lacht uns aus.
Immer und immer wieder ermahne ich ihn, dass er nicht einfach weglaufen darf. Wieso? – Weil es gefährlich ist. Wieso? Wieso? Wieso? Irgendwann – nach gefühlten einhundert Gründen – habe ich ihm erklärt, dass es eben auch böse Menschen gibt. Ich habe ihm gesagt, er darf nie zu jemand fremden ins Auto steigen oder mit jemand fremden mitgehen. Wieso? Weil das vielleicht ein böser Mann ist.
Na! Da haben wir’s ja!
So weit so gut. Ich habe heute den bösen Mann bei der Hand genommen, bin mit ihm die Treppe nach unten gegangen, habe ihm die Haustüre aufgesperrt und ihn hinausgeworfen. “Der kommt nicht mehr!” sagte ich stolz. Doch fünf Minuten später war er wieder da. Dieses Mal ging der Kuschelbub selbst mit ihm die Treppe nach unten – eine Hand am Handlauf, die andere hielt die Hand des bösen Mannes. Wir sperrten noch einmal die Haustüre auf und schickten ihn fort. “Der ist weg.” sagte ich ihm. Doch fünf Minuten später war er wieder im Kinderzimmer.
Ich holte eine alte Dose Haarspray und erklärte, dass man damit den bösen Mann einfach weg sprühen kann. Ich zeigte es vor und der Kuschelbub machte es mir nach. Wir sprühten in die Luft, auf den Boden, in die Schränke, unter die Bettdecke, … Irgendwann haben wir es geschafft: “Jetzt ist er weg.” sagte mir mein Sohn und ich war genau so erleichtert wie er. Ich hoffe bloß, er kommt so schnell nicht wieder.
Lieber böser Mann! Ich hab genug von dir. Geh weg! Und wenn du am Weg ein süßes Eichhörnchen findest: Das kannst du von mir aus zu uns schicken.
P.S.: Hier erfährst du mehr über mich und meine Familie: Über uns.
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